Nach unserem letztwöchigen Start der Interviewreihe mit Roland Knorr zum Thema Digitale Transformation kommt heute der zweite Teil.
In den nächsten Wochen werden weiter wir nach und nach Aspekte der Digitalen Transformation im Interviewstil als Blogbeiträge posten. Am Ende der Serie werden die einzelnen Interviewteile ein großes Ganzes ergeben, was Ihnen für die digitalen Herausforderungen der Zukunft eine Stütze und Hilfe sein kann.
Somit lohnt es sich regelmäßig die neuen Blogartikel zu lesen, um den Blick für das große Ganze zu bekommen.
Die Beziehung zwischen bzw. die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Unternehmenskultur ist nicht zwingend klar ersichtlich. Es scheint zunächst etwas unklar, in welchem Zusammenhang technische Neuerungen mit der Unternehmenskultur stehen. Wie beeinflusst die Digitalisierung die Unternehmenskultur ganz allgemein?
Erstmal schafft sie Angst. Digitalisierung macht Angst. Das ist auch relativ simpel zu erklären. Beispiel Produktionsunternehmen: Mitarbeiter in der zweiten Schicht trifft seinen Nachbarn am Wochenende und der sagt zu ihm: "Mensch, ihr digitalisiert? Du weißt schon, dass das Arbeitsplätze kostet?" Das ist das was durch die Lande geht: Digitalisierung kostet ganz viele Arbeitsplätze. Anstatt zu sagen, Digitalisierung wird unsere Arbeitswelt sicherlich verändern und das ist aber auch die Chance für uns, uns mit zu verändern. Es redet kaum jemand über die Chance die dabei entsteht, sondern es werden Drohszenarien aufgebaut. "Das vernichtet Arbeitsplätze, deinen Job wird es nicht mehr geben, das macht zukünftig ein Roboter usw.", anstatt zu sagen "Was müssen wir denn tun, damit wir zukünftig spannende Aufgaben haben?". Und von daher ist es auch wieder eine Frage der Kultur, wie offen man damit umgeht. Mache ich proaktiv Investitionen in die Kommunikation zu den Mitarbeitern? Und sie werden ganz viele Manager finden, die nicht kommunizieren können, die einfach von ihrem Typus her eher technokratisch veranlagt sind, die sensationelle Systeme bauen, aber keinen geraden Satz sagen können und denen die Empathie fehlt. Und darauf muss man die Leute anders vorbereiten indem man sagt: „Ich sehe es als etwas Positives.“ Das ist ganz häufig eine Frage des Mindsets.
Also braucht es einen "digitalen Übersetzer", der den Mitarbeitern klarmacht um was es dabei eigentlich geht?
Ja, wir werden in Zukunft eine Funktion bekommen die wir "Digitaler Brückenbauer" nennen. Das sind Menschen, die in der Lage sind organisatorische und technische Themen neu zusammenzuführen und Menschen mitzunehmen auf diese digitale Reise, indem sie sie dort abholen, wo sie stehen - nicht da, wo sich ein Unternehmen wünscht, dass sie hinwollen.
Das heißt aber auch, dass kommunikationsunfähige Manager, wie Sie sie eben beschrieben haben, in Zukunft fehl am Platz sind?
Die werden sich über die Zeit auf jeden Fall Gedanken machen müssen, ob ihr Führungs- und Managementstil der richtige ist, ganz klar. Beispiel aus der Praxis: Leiter einer sehr großen Softwareabteilung, macht den Job seit 20 Jahren und hat jetzt das erste agile Softwareentwicklungsteam. Er sagt von sich, dass sei die größte Herausforderung seiner beruflichen Laufbahn. Wie gehe ich mit einem agilen Team im Vergleich zu einem, für mich absolut nachvollzieh-, kontrollier- und steuerbaren wasserfallorientierten Entwicklungsteam um. Plus: wir sind in der Unternehmung überhaupt nicht auf solche Leute eingestellt. Als Beispiel kann man sich hier auch die deutsche Arbeitszeitordnung anschauen. Die ist für dieses ganze Thema überhaupt nicht ausgelegt. Zum Thema Kultur und Big Data: die Menschen, die im Big Data Umfeld unterwegs sind, sind hochkarätige Spezialisten. Da gibt es Produkte wie "Hadoop" beispielsweise, das ist ein Stück Software mit der Sie sehr komplexe, unstrukturierte Daten auswerten. 100.000 Zugriffe und Sie wollen wissen, gibt es da irgendwelche Muster. Und es gibt Leute, die so etwas können. Diese Menschen haben aber einen ganz anderen Arbeitsrhythmus. Die fangen vielleicht um 11 Uhr das Arbeiten an, sitzen bis nachts um 2 Uhr, essen eine Pizza dazwischen, machen einen „conference call“ mit Kalifornien, weil dort nämlich das Epizentrum dieser ganzen Bewegung sitzt - und jetzt versuchen sie sowas mal in einer Arbeitszeitordnung abzubilden. Die sagt: wir haben eine Kernzeit, Randzeiten und No-Go-Zeiten und wenn der um 23 Uhr noch in der Firma sitzt kriegt er ein Problem. Macht er das von daheim aus bekommt sein Vorgesetzter ein Problem, weil er die Arbeitszeitordnung überschreitet. Ergo: du musst Räume schaffen in denen solche Dinge zulässig sind.
Das heißt, es geht in Richtung "New Work"?
Ja, aber wenn sie da so reinschauen: Ich war mit einem hochrangigen, angestellten Top-Manager zusammengesessen, der mir erzählt hat: "Wissen Sie, wir haben einen neuen Vorstand bekommen für HR und der hat mich gebeten ihn zu einer Customer Journey zum Thema „New Work“ zu begleiten. Und rausgekommen ist dabei eigentlich ein neues Ikea." New Work ist ja eher „wir machen neue Möbel, Lounges und Kicker rein weil's schick ist und die Start-ups das auch so haben.“ Das ist es aber nicht. Für mich ist der Unterschied in der Kultur zwischen einer Startup-Company und einer Nicht-Startup-Company ein ganz banaler: eine Startup-Company hat von vornherein die DNA „Ausprobieren, Machen, u.U. Scheitern, Hinfallen, Aufstehen, daraus lernen - Neustart, weitermachen.“ Ein deutsches Unternehmen, je technischer desto schwieriger, sagt: „failure is not an option.“ Und das ist der Grundunterschied: „probier’s aus.“ Wir reden alle von „trial & error“-Gesellschaft hier in Deutschland. In USA ist das dagegen völlig normal. Mein Lieblingsbeispiel dazu ist immer: Ich war 1990 das erste Mal im Silicon Valley in Mountainview, wo u.a. Google sitzt. Ich bin mit meinem damaligen Finanzvorstand durch Mountainview gefahren, dann sagt er: "In Mountainview machen jeden Monat 150 Firmen zu und 180 neue wieder auf" - und das in den 90ern, also vor fast 30 Jahren. DAS ist für mich Startup-Mentalität. Das ist aber auch einfach eine gesellschaftliche Geschichte. Wenn du in Deutschland als Geschäftsführer scheiterst, bist du stigmatisiert. Wir sind eben eher defizitorientiert, also "was läuft nicht", als, dass wir sagen "was läuft denn schon gut und was können wir daraus lernen, wie können wir das verbessern?".